Gera

Oktober 1999

Aus dem Reisetagebuch von Lisa Almeroth

Der 88. Geburtstag von unserm Opa stand bevor. So ein Tag, der sollte doch in besonderer Weise gefeiert werden. Klaus sprach mit ihm darüber. Anfangs meinte Opa: “ Ach, wenn er doch schon vorbei wäre ...“.  Doch als er wahrnahm, dass er sich mit der Planung nicht selbst befassen müsse und sie delegieren könne, legte er diese vertrauensvoll in die Hand seines ältesten Sohnes.  Auf Nachfrage gab er dann Klaus die Gästeliste. Klaus überlegte wo und wie die Feier stattfinden könnte. Eine tolle Idee kam ihm in den Sinn:  in Opa’s Geburtsstadt Gera, in einem Hotel könnte es sein. Nachdem die meisten Gäste zugesagt hatten und alle organisatorischen Dinge geklärt waren, wurde Opa in das Vorhaben eingeweiht. Jetzt hatte er noch einige Tage der Vorfreude. 
Samstag, 16. Oktober
Eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges trafen wir uns mit Opa im Hauptbahnhof. Um 9:29 Uhr fuhr der Intercity nach Leipzig ab. Zusammen mit Emil, Christel und Mirko hatten wir eine angenehme Fahrt. Um 12:30 Uhr erreichten wir Leipzig. Über zwei Stunden hatte Klaus eingeplant, um den neugestalteten Hauptbahnhof zu besichtigen und einen Stadtbummel zu unternehmen.  Im Bahnhof schauten wir uns um, wir waren begeistert, was man aus dem ehemaligen tristen Gebäude Tolles gemacht hat. Ein Stadtbummel in Richtung Rathaus, Marktplatz schloss sich an. Sogar einen Blick in "Auerbachs Keller“ taten wir.  Den Appetit auf eine echte Thüringer Rostbratwurst stillten wir an einem Imbiss-Stand ganz in der Nähe.  Hmm, war die lecker!  
Zurück ging‘s in den Bahnhof in ein Café, wo wir uns Kaffee und Kuchen (Himbeere/Mandarine und sächsische Eierschecke) schmecken ließen.  Nun fuhr auch bald der Zug nach Gera, wo wir gegen 17 Uhr eintrafen. Jörg war  kurz vorher ebenfalls mit dem Zug angekommen und eilte uns zur Begrüßung entgegen. Roland, der mit dem Auto angereist war, fuhr Opa, Emil und mich mit dem Gepäck ins Hotel. Alle anderen liefen zu Fuß. Im Hotel „Courtyard by Marriott“ angekommen, nahmen wir unsere Zimmerschlüssel in Form von Magnetkarten in Empfang. Nach einer kurzen Ruhepause berieten wir, was wir am Abend unternehmen wollten. Wir entschieden uns für einen Spaziergang in Richtung Innenstadt.  Etwas enttäuscht waren wir, dass so bedeutende Sehenswürdigkeiten, wie Marktplatz und Simson-Brunnen völlig im Dunkeln lagen. Im Ratskeller kehrten wir zum Abendessen ein.  Da wir eine größere Gruppe (11 Personen) waren, gab man uns ausnahmsweise einen Raum, der sonst nur zu besonderen Anlässen genutzt wird. 

Das historische Ambiente des Raumes, u.a. mit dem Stadtwappen von Gera, passte  hervorragend zum Thema dieses Wochenendes. Das Abendessen, wurde von freundlichen jungen Damen serviert; es war reichlich, sehr schmackhaft und überraschend preiswert. Opa fühlte sich in unserer Mitte wohl.
Er strahlte zufrieden und war sogar zu Scherzen aufgelegt. Bei angenehmer Abendstimmung und um noch etwas Bewegung zu haben, gingen wir zu Fuß zum Hotel zurück. Unser lieber Opa zog tüchtig mit. Ab 23:30 Uhr fand jeder seine verdiente Nachtruhe.
Sonntag, 17.  Oktober   1 9 9 9   -  d e r   8 8.  G e b u r t s t a g !
Unser Jubilar erwartete uns bereits in der Empfangshalle. Die Gratulanten „strömten“ herbei. Von so vielen wurde Opa lange nicht in die Arme geschlossen. Es tat ihm sichtlich gut, und er war sehr bewegt. Jetzt wartete das reichhaltige Frühstücksbüfett auf uns. Danach fuhren wir mit drei Taxen in die Eisenbahnstraße (FeG) zum Gottesdienst, der um 9:30 Uhr begann. Roland und Norman fühlten sich nicht gut, Helga fungierte als Krankenschwester, so dass von den Bornaern nur Lars mitkommen konnte. In der Gemeinde wurden wir herzlich begrüßt.

Klaus hatte schon von Hannover aus unser Kommen zu diesem Anlass angekündigt. Opa kannte sogar noch einige Geschwister von früher. Nun trafen auch noch zwei weitere Gäste ein: Emanuel und Hanna Schmidt aus Hermsdorf. Während der Einleitung wurden alle Geburtstagskinder begrüßt und beglückwünscht. Nur Opa wurde nicht genannt. Wir stutzten!  Doch dann trat Bruder Karl Rabus ans Rednerpult. Extra für Opa las er ein Bibelwort und fand persönliche und liebevolle Worte für ihn. Wir empfanden alle große Freude.  Schön, dass die Geschwister Rabus Zeit hatten, zum Geburtstags-Kaffeetrinken ins Hotel zu kommen.
Nach dem Gottesdienst fuhren Hanna und Emanuel mit Opa und Lars zur
Altenburger Str. 6, dem Geburtshaus des Jubilars. Das Haus war frisch renoviert. Die Haustür jedoch war (noch) nicht erneuert, sehr zerschunden, aber eben im Original, so wie Opa sie als Kind kannte. Einen anderen Weg nahmen Jörg, Klaus und Christel an der Bahnlinie entlang durch die Louis-Schlutter-Str., in der Klaus als Kind öfter bei seiner seiner Tante Hanni, Opas Schwester, zu Besuch war. Er erinnerte sich, dass er als Kind oben vom Fenster aus die Züge beobachtet hatte.

Um 12:30 Uhr sitzen wir zum gemeinsamen Mittagessen an einer festlich gedeckten Tafel. Kurz zuvor treffen endlich auch Linde und Walter aus Marburg-Werda ein. Als Ergänzung zur Tischdekoration hatte Klaus selbst-gefertigte Tischkärtchen aufgestellt. Viel Mühe hat er sich gegeben, eine tolle Idee! Mit einem Glaserl Sekt wurde auf den Jubilar angestoßen. Dann stimmten wir ein Danklied an, und Klaus betete mit uns. Anschließend wurde das „Thüringer Menü“ serviert. Wir waren sehr zufrieden.  Während des Essens wurden Geschenke überreicht und Grüße weitergegeben. Opa trug die „Hymne auf Gera“ in typischer Mundart vor. Alles konnte er noch auswendig, ohne zu stocken. Beifall - das war eine Meisterleistung! Ein Prost auf seine Heimatstadt!

 

Die Mittagspause gestaltete sich jeder auf seine Weise.  Manche schliefen in ihrem Zimmer, andere machten ein Nickerchen in der Empfangshalle und einige gingen spazieren. Um 16 Uhr fanden wir uns an der Kaffeetafel wieder ein. Auch Karl Rabus und seine Frau sind jetzt in froher Runde mit dabei. Die Geburtstagstorte  mit brennenden Wunderkerzen und der „88“ in der Mitte wurde gebracht, aufgeteilt und bald verspeist. Vor dem Genießen trug ich selbstgedichtete Verse über Erlebnisse mit Opa vor. Ein Danke-Lied schloss sich an. Eine Strophe hatte ich zum Geburtstag hinzugefügt. Zwischendurch wurde geplaudert, in Erinnerungen geschwelgt und ein „HARIBO“-Gedicht von mir vorgetragen. Ich freute mich, dass es gut ankam und mit Beifall bedacht wurde. Gegen 17 Uhr bat Klaus die Gäste und Opa in den angrenzenden Küchengarten.

Für unseren Opa die Überraschung des Tages:

der Posaunenchor aus Hermsdorf war gekommen, um ihn mit vielen schönen Melodien zu erfreuen. Opa war sichtlich bewegt (und wir auch) – das hatte er doch nicht erwartet! Opa nahm allen Mut zusammen, trat vor die Bläser und dirigierte sie wie in alten Zeiten. Er war total Happy! Glückstrahlend meinte er hinterher: „..und die haben sogar auf mein Dirigieren geachtet“.  

Für die Posaunisten gab es dann im Hotel noch Kaffee und Kuchen. Opa gesellte sich zu ihnen, während die übrigen Gäste in der Empfangshalle einen regen Gedankenaustausch pflegten. Bald mussten wir uns von einigen verabschieden. Für Opa war ein ereignisreicher, wunderschöner, aber auch anstrengender Tag zu Ende gegangen. Er hatte nun den verständlichen Wunsch, sich auf sein Zimmer zurückzuziehen. Dem Herrn sei Lob und Dank, dass wir mit Opa seinen 88. Geburtstag in dieser Weise feiern konnten.

Wir, die wir erst Montag abreisen wollten, überlegten, was wir am Abend zusammen unternehmen möchten. Billard spielen und Kegeln standen auf der Wunschliste. Nichts dergleichen Passendes war zu finden.  Wir landeten schließlich in einem kleinen, gemütlichen Restaurant, in den Bürgerstuben „Zur Häselburg“, wo wir in froher Runde den Abend verbrachten.

Montag, 18. Oktober
Um 8:30 Uhr traf sich die „Almeroth“-Sippe mit Emil und Christel zum gemeinsamen Frühstück. Anschließend fuhren Roland, Helga, Lars, Klaus und ich zu Opas Geburtshaus, das wir auch gerne sehen wollten.

 In der Nähe, in der Fußgängerzone („Sorge“ genannt), kauften wir bei Fleischer „Wolf“ echte Thüringer Rostbratwurst. Klaus fotografierte schnell noch seine „geliebte“ Straßenbahn, die auch nicht lange auf sich warten ließ. In Windeseile liefen wir zum Hotel, wo die übrige Truppe schon sehnsüchtig auf uns wartete. Roland fuhr uns mit dem Gepäck zum Bahnhof, Klaus lief schnell zu Fuß dorthin. Alle kamen wir noch pünktlich zum Zug, obwohl dieser wegen Bauarbeiten weit außerhalb der Bahnhofshalle stand.  Kurz hinter Gera, in Zeitz, stiegen Christel und Emil aus. Sie wurden von Verwandten empfangen, bei denen sie ein paar Stunden verweilten. In Leipzig angekommen, blieb uns nur wenig Zeit zum Umsteigen, wir mussten im Eiltempo laufen. 

Dann Entwarnung: der Zug nach Hannover hatte ein paar Minuten Verspätung. Um 16:40 Uhr kamen wir wohlbehalten in Hannover an. Opa wurde mit all seinem Gepäck (incl. Geschenke) ins Taxi gesetzt; Klaus, Mirko und ich fuhren mit der U-Bahn heim.  Froh und dankbaren Herzens haben wir alle unser Zuhause erreicht. Mirko hatte Urlaub und blieb deshalb bis Sonntag noch bei uns im Elternhaus.