Böhmerwald

Juli / August 2001

Aus dem Reisetagebuch von Lisa Almeroth

Nicov / Böhmerwald (Šumava) - eine Woche im kleinsten Dorf der Welt  

  Diesen Kurzurlaub hat Jörg organisiert. Wir waren ganz gespannt, was uns dort erwartet. Richtig toll freuen wir uns  auf das Zusammensein mit unseren Lieben. 

 

Samstag, 28. Juli
Um 8:29 Uhr begann unsere Bahnreise. Fünfmal mussten wir umsteigen: in Würzburg, Nürnberg, Schwandorf, Furth im Wald und in Domažlice. Gegen 16:07Uhr erreichen wir Klatovy. Zu unserer großen Freude erblicken wir durch das Zugfenster unseren Jörg auf dem Bahnsteig. Herzliche  Begrüßung - lange nicht gesehen!! – Gepäck wird im Auto verstaut und ab geht`s nach Nicov. Nach ca. 20 Minuten erreichen wir das kleinste Dorf der Welt.  Vor unserem Hotel machen wir Halt. Es trägt den Namen Pod zvonem – Unter der Glocke. Zuerst begrüßen wir die Gastgeber, dann Familie Buley, und gleich danach auch Helga und Roland. Gott sei Lob und Dank, dass alle gut angekommen sind. Wir suchen dann gleich unsere Zimmer auf. Sie sind sauber und gemütlich eingerichtet.

Nach einer Erfrischung besichtigen wir das Hotel und die  Gartenanlage mit einem schönen Swimmingpool. Das erste Abendessen wird eingenommen. Lecker und deftig ist es, wie man es im Katalog liest. Ein kleiner Verdauungsspaziergang schließt sich an. Wir gehen zur gegenüberliegenden Wallfahrtskirche  „Mariä Geburt“. Sie ist ein schönes barockes Bauwerk. Doch beim genauen Hinsehen entdeckt man, wie der Zahn der  Zeit daran genagt hat. Der dahinterliegende kleine Friedhof sieht sehr ungepflegt aus. Scheinbar fehlen  die nötigen Gelder zur Instandsetzung. Bei Dunkelheit wird  die Wallfahrtskirche angestrahlt, wodurch sie besonders interessant aussieht. Im Gartenpavillon treffen wir uns zum Plausch, genießen den lauen Sommerabend. Doch bald zieht es uns ins Bett nach der langen Reise.
Sonntag, 29. Juli
Um 8:30 Uhr treffen wir uns im „Wintergarten“ zum Frühstück. Von  hier aus haben wir einen herrlichen Ausblick in den Garten und zum Pool. Das Frühstück ist gut und reichlich. Sogar Müsli gibt es für meinen Schatz. Den Gartenpavillion wählen wir für unsere täglichen Morgenandachten, die Klaus hält. Jörg begleitet unser Singen mit der Gitarre. Gemeinsam beraten wir dann unsere Vorhaben.

Heute entschließt sich die kleine Truppe zur Waldwanderung nach Hnačov zum Badesee. Eine Strecke von ca. 6 km. Ich bin so dankbar, dass ich das verkrafte. Die Beschilderung des Wanderweges lässt zu wünschen übrig, doch unsere zwei Bundeswehrleute finden sich im Gelände gut zurecht. Durch Wald und Feld gelangen wir bei tüchtiger Hitze an den See. Nahe am See entdecken wir einen Kiosk mit Sitzgelegenheiten im Freien. Wir erquicken uns an Eis oder Mineralwasser. Weil ich recht mitgenommen aussehe, macht sich Klaus um mich Sorgen. Er will mit einem Taxi sofort zurück. Ich protestiere; denn den weiten Weg wollte ich nicht umsonst zurückgelegt haben. Den See will ich auf alle Fälle in Augenschein nehmen. Die Kiosk-Wirtin  sagte uns zu, dass ihr Sohn uns zum Hotel im Minibus bringt. Nach der Stärkung geht es auf zum See. Hier tummeln sich Jung und Alt. Bald kommt ein kräftiger Wind auf, die Sonne verkrümelt sich. Nach und nach ziehen die Badegäste ab. Sie scheinen ihr Klima zu kennen.
Wir laufen zum Kiosk, von wo aus uns der Sohn  zum Hotel fährt. Er spricht etwas Deutsch, arbeitete eine Zeit in München. Er wollte für die Fahrt kein Geld, aber wir steckten es ihm einfach zu und bedankten uns für seine Freundlichkeit. Roland und Familie Buley wanderten zu Fuß zurück. Kaum in unseren Zimmern angekommen beginnt ein  Unwetter. Es gießt, donnert und blitzt, so dass wir große Sorge um die Lieben haben.  Wir beten für sie um Bewahrung. Auf Jörgs Balkon stehend  sehen wir Michael  triefend  angerast kommen. Kurz darauf erscheint Roland wie eine gebadete Maus, und bald danach sind auch Petra und Alexandra im Anmarsch. Gott sei Dank blieben sie bewahrt. Roland meinte, im Wald  war es bei dem Gewitter doch beängstigend gewesen. Schnell unter die warme Dusche, trocken „gelegt“ und ab zum Abendessen. Helga hatte mit Rolands Geldscheinen zutun. Jeder einzelne Schein wurde zum Trocknen ausgebreitet. Wasserdichte Geldbörsen hat man wohl noch nicht erfunden. Nach dem leckeren Abendessen sitzen wir im gemütlichen Bar-Restaurant, plaudern lustig miteinander und spielen Rommé.  
Montag, 30. Juli

Nach Frühstück und Andacht fahren wir mit dem Auto nach Sušice, an der Otava gelegen.
Susit=trocken weist auf das Goldsandtrocknen hin, der aus dem Fluss herausgewaschen wurde. 1840 erfolgte die Gründung einer blühenden Streichholzfirma „Solo“.  In einer kleinen Gaststätte speisen wir zu Mittag. Dann spazieren wir durch den Ort, durch die Ringstraße, entdecken schmucke Bürgerhäuser.

Gelangen wieder an den Fluss „Otava“, beobachten, wie Kinder und Erwachsene in Paddelbooten über das Wehr heruntergleiten. Weiter fahren wir nach Rabí und spazieren zur Burgruine. Sie ist eine der mächtigsten Festungen Böhmens. Wir gelangen zum Innenhof, wundern uns über die Unordnung, überall liegen Requisiten rum. Jörg will gerade den Turm erklimmen, da taucht eine junge Dame auf und erklärt uns, dass die Burg heute für Besucher geschlossen sei.

Nach einer mittelalterlichen Aufführung wird alles aufgeräumt. Also hatten wir direkt Glück, einen kleinen Blick ins Innere werfen zu können, mussten dann aber abziehen. Die Tore wurden geschlossen. Weiter fahren wir nach Horažďovice, eine Kleinstadt , die auch am Fluss Otava liegt. Die Zucht der  Flussperl-Muschel  brachte ansehnliche Ausbeute für die Stadt. Hier herrschte das Hussitentum vor. Am 6.5.1945  wurde die Stadt durch die amerikanische Armee  von der  faschistischen Okkupation befreit. Mauerreste der alten Stadtbefestigung entdeckten wir. 

In einer Gasse hinter der Kirche  treffen wir auf eine Reihe historischer Fleischläden, die im 17.Jahrhundert ebenerdig angelegt wurden. Viele jüdische Familien lebten hier. Die Synagoge wurde 1980 abgerissen.

Gegen 18:30 Uhr sind  wir zurück zum Abendessen. 

Bis zum Schlafengehen spielten wir Rommé.

Dienstag, 31. Juli
Heute fahren wir nach Klatovy. Die Stadt hat 23000 Einwohner. Hier finden wir einen schmucken Marktplatz vor. Gotische Wehranlagen umgeben die Altstadt. Wirtschaftszweig ist die Nelkenzucht. Um 1813 begann die Einführung von Nelkensamen aus Frankreich  - Nancy-. Die Stadt war dadurch zu Reichtum gekommen. Ein älterer tschechischer Herr  bot uns in deutscher Sprache eine Führung durch die Stadt an. Er meinte, wenn wir wollen, können wir etwas zahlen oder auch nicht. So zeigte er uns sehenswerte Gebäude, nannte wichtige Ereignisse und Daten.

Der Nelkengarten war  leider geschlossen, sicher, weil schon viel  verblüht war. Die Führung dauerte nicht zu lange und war wirklich lohnenswert. Am Marktplatz ragte der Schwarze Turm (cerna vez ) in die Höhe, das Wahrzeichen Klatovys. Die rohbehauenen Quader haben eine schwarze, natürliche Färbung. Sie sind nicht schwarz, weil Brände sie verfärbt hätten, wie oft fälschlicherweise behauptet wird. Der Turm war Wachturm, Verlies und Folterkammer.

Links neben dem Wachturm steht das Rathaus. Rechts des Turms  ist der ehemalige Sitz des Jesuitenordens. Heute beherbergt das Kloster Ladenpassagen .  Das Pendant zum Schwarzen Turm ist der Weiße freistehende Glockenturm (bila vez) Daneben   befindet sich die Mariä-Geburt-Kirche. In der Planicka- Str. verbirgt sich das Dominikanerkloster.  Nach der Führung spazieren wir zurück in Richtung Marktplatz. In einem kleinen Laden finde ich für Christel ein kleines Geschenk. Helga erkundigt sich in jedem Ort in einer Bank nach dem Umtauschkurs.

  Auf dem Marktplatz genehmigen wir uns im Straßencafe etwas Trinkbares. Hier machen wir Bekanntschaft mit einem Ehepaar aus Leipzig. Zurück fahren wir über Zelesna Ruda  und Nyrsko. Zum Abendessen sind wir pünktlich daheim.
Mittwoch, 1. August
Auf geht es  nach Pilsen  (Plzeň), in die zweitgrößte Stadt Böhmens mit 175000  Einwohnern. Bekannt für das berühmte Pilsener Bier und Skoda. Jörg findet den Weg zum Brauereibetrieb auf Anhieb.  Plzensky Prazdroj. Ein Reisebus  fährt auf das Gelände. Helga und ich sprechen die Reiseleiterin an, ob wir uns der Gruppe anschließen könnten zur Besichtigung der  Brauerei. Sie willigte ein, weil ihre Gruppe nicht vollzählig ist. 

Zunächst sehen wir einen Videofilm. Dann werden wir durch das Brauhaus geführt, durch den modernen Betrieb mit Gärtanks, sowie den den historischen Keller. Vorbei an Lagerfässern zum abschließendem Probieren des
einmaligen „Pilsener Urquells“. 

Nach der Führung fragen wir uns zum Stadtkern durch. Wir besuchen das Pivovarske Museum und das Franziskaner - Kloster. Der Marktplatz sieht recht trostlos aus. Überall entdecken wir stinkende Pinkelecken, so dass wir uns dort nicht aufhalten. 

In der ältesten Gaststätte kehren wir zum Mittag ein. Das Essen schmeckt gut, nur die Bedienung lässt zu wünschen übrig.  

Im Zentrum sind viele  Barock- und Renaissance- Häuser  erhalten. Rathaus, Pestsäule und die Kirche 
St. Bartholomäus sind zu erwähnen. Bald geht es heimwärts. Es war ein schöner, erlebnisreicher Tag. Nach dem Abendessen spielen wir bis zur Nachtruhe wieder Rommee.

Donnerstag, 2. August
Unser Ziel ist heute Strakonice, eine Kleinstadt mit ca. 20000 Einwohnern. Sie beherbergt eine romanische Burg. Zuerst besichtigen wir das kleine, muffige Antiquariat. Klaus ersteht ein Buch recht günstig.  Auch einen PC  nutzt er im Burggebäude für eMail-Erkundigungen. Jörg klettert derweil auf den Turm. Während wir  anderen im Hof eine Künstlergruppe bei Filmaufnahmen beobachten. Heute ist es besonders heiß, sodass wir keine Lust auf Burgeroberung haben.  Der Rundturm  „Rumpal = Haspelturm „ genannt, diente dem Lastenaufzug. 

Weiter  fahren wir nach Vimperk, an Kašperk vorbei, durch Sušice und über Plánice zurück. Dankbar sind wir, wieder viel Interessantes gesehen zu haben und für die Bewahrung auf all unseren Touren.  
Freitag, 3. August
Unser Ausflug führt uns heute zur Burgruine Kašperk (Karlsburg). Sie gewährt uns einen angenehmen Ausblick.  Der böhmische Kaiser Karl der IV.  ließ  sie erbauen als Schutz für den Bergbau, für Handel und Grenzen. Hier ruhen wir uns ein wenig aus, nehmen Getränke zu uns, die bei der Hitze besonders wohl tun. Dann fahren wir nach Susice, um nochmals in der kleinen Gaststätte -heute im Innenhof- einzukehren. Bald geht es zurück nach Nicov.

 

Klaus und ich machen einen Spaziergang ins nahe gelegene Nachbardorf. Zurück schleichen wir über eine Wiese; denn ein Storch soll auf unsere Linse gebannt werden. Klaus gelingt es auch. Auf einem schönen Weg laufen wir zu unserem Hotel. Wie an jedem Tag freuen wir uns auf ein Bad im Swimmingpool. Roland, Klaus, Jörg und Helga vergnügen sich mit Wasserballspielen oder Tauchen nach einem Geldstück. Viel Spaß haben sie dabei. Ich nehme sie auf Video auf.
Zu erwähnen wäre noch, dass wir die viel befahrene Straße vor unserem Hotel  als  sehr störend empfanden. Das ewige Bellen der Hunde, die nachts  das Hotelareal bewachten war ebenfalls unangenehm. Michael und Familie belastete das derart, dass sie ihre Zelte hier abbrachen und in den Bayerischen Wald fuhren. In den folgenden Nächten war es wesentlich ruhiger. Insgesamt gesehen war es eine wunderschöne Woche zusammen mit unseren Lieben. Schon wieder müssen wir an die Heimreise, ans Kofferpacken denken.   
Samstag, 4. August
Nach dem Frühstück kommen wir noch einmal zur Andacht zusammen. Wir haben viel Grund, unserem Herrn  zu danken für die schöne Zeit, für alle Bewahrung, für alles Neue, was wir sehen und  kennen lernen durften. Helga und Roland fahren zurück nach Borna. Uns bringt Jörg zum Bahnhof nach Klatovy. Unser Zug  geht dieses Mal über Bayrisch Eisenstein.

Wohlbehalten sind alle Lieben  zu Hause angekommen. Gott  sei Lob und Dank!